Genuss | 20. November 2022 | Daniel Adler
Die Traube in Heidelberg-Rohrbach
Eine sehr ehrliche Küche
In der Traube Rohrbach trifft Nachhaltigkeit auf Casual Fine Dining, Regionalität auf kulinarische Raffinesse. Das vom Guide Michelin empfohlene Restaurant überzeugt mit einem transparenten Konzept für Gäste, die den Inhalt ihres Tellers gern hinterfragen.
Essen gehen verbindet. Ganz gleich, ob der Mittagstisch mit den Kollegen, das entspannte Abendessen mit Freunden oder der feine Restaurantbesuch aus besonderem Anlass. Bei der Auswahl des Lokals merkt man meist aber schnell: Es ist kompliziert. Denn als Restaurantgänger sind wir kritischer und unterschiedlicher geworden. Im Freundeskreis sind längst nicht mehr alle omnivor und diejenigen, die Fleisch essen, haben Fragen. Sie wollen wissen, woher das Fleisch kommt und wie das Tier gelebt hat, das am Ende auf ihren Tellern landet. Außerdem spielt Regionalität und Saisonalität der Zutaten eine zunehmend wichtige Rolle. Wer zu einem besonderen Anlass all diesen unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden will, hat es nicht leicht auf der Suche nach einem geeigneten Restaurant.
Die Traube in Heidelberg-Rohrbach will mit ihrem im Zuge der Corona-Pandemie erneuerten Konzept genau das erreichen: Für Vegetarier, Veganer und Fleischesser ein reflektiertes Restauranterlebnis schaffen – und das auf sehr hohem Niveau. Restaurantinhaber und Küchenchef Ole Hake hat unserem Magazin einen Blick hinter die Kulissen des alten Wirtshauses gestattet. Hake, der selbst Heidelberger ist, eröffnete bereits 2016 mit seiner Frau Lisa Ziegler die Traube Rohrbach. Im Gespräch hat er uns verraten, dass es durch die Corona-Pandemie zu einem Umdenken mit Blick auf das Restaurant kam. Seitdem setzt die Küche der Traube auf den Schwerpunkt Nachhaltigkeit:
„Wir benutzen nur noch Wild aus der Region. Dafür sind wir jetzt auch zertifiziert worden. Wir haben durch Corona gemerkt: Die Tische werden auseinandergezogen, der Umsatz muss trotzdem bleiben. Das bekommen wir nur hin, wenn wir die Qualität hochschrauben.“
Einen gewissen Anspruch an Regionalität und Nachhaltigkeit hatte das Restaurant schon immer, betont Hake im Gespräch. Doch die Pandemie gab den endgültigen Ausschlag.
„Durch die Globalisierung konnte sich das Virus ja überhaupt erst so ausbreiten. Das hat uns dann noch einmal bestärkt darin, noch stärker mit regionalen Produkten zu arbeiten. Wir sollten uns schon auch darauf besinnen, was wir hier haben. Allein wegen des Energieaufwands, der nötig ist, um gewisse Waren und Güter hierher zu befördern“
, so Hake. Dieses Umdenken macht sich auch auf der Karte des Restaurants bemerkbar. Klassiker wie Rinderfilet und Rumpsteak mussten Fleisch vom Wild weichen. Und: Nur einen Teil des Tieres zu bestellen und zu verwenden, dieser Vorgehensweise hat die Traube auch den Rücken gekehrt, wie Hake erklärt:
„Wir haben dann gesagt: Es gibt nur noch Wild. Und selbst die Innereien verarbeiten wir. Wir versuchen das auf einem sehr hohen Niveau an den Gast weiterzugeben und das ganze Tier zu verarbeiten. Also nicht nur immer die Edelteile zu verwenden. Gerade was Tierhaltung und Rinderzucht angeht – das verursacht ja einen riesigen ökologischen Fußabdruck.“
Konkret heißt das: Wild, das ausschließlich von insgesamt siebzehn dem Küchenchef persönlich bekannten Jägern geschossen wurde, findet sich ab jetzt auf den Tellern der Traube. Die Jagd findet dabei in einem Umkreis von maximal 100 Kilometern in der Region und der Pfalz statt. Das Wild ist in der Traube schon als Teil des Appetizers zu finden: Unter anderem in Form einer selbst hergestellten Wildschweinsalami und Maibockschinken, der zwei Wochen in der Beize war. Gereicht wird dazu unter anderem Sauerkraut-Focaccia, Sauerteigbrot und Zitronenbutter. Mit dem neuen Konzept der Traube geht einher, dass das Restaurant ausschließlich Menüs anbietet, die jedoch individuell zusammengestellt werden können. Gäste können zwischen drei, fünf und sieben Gängen wählen.
Unser Magazin durfte von allem versuchen: Sowohl von den veganen Gerichten als auch den Kreationen mit Wild und Fisch. Favorit des Küchenchefs im aktuellen Herbstmenü: Der mit Hibiskus kombinierte Rheinwaller in Sandwich-Form und als Schinken mit einer Jus aus den Karkassen des Fisches und dazu Fenchelsalat. Wie der Name erahnen lässt, stammt auch der Waller aus der Region und kann sich in dieser Kombination sehen lassen. Auch Veganer kommen in der Traube auf ihre Kosten und können aus insgesamt drei veganen Gängen wählen.
Als vegane Vorspeise bietet die Traube beispielswiese den Blumenkohl konfiert mit der indischen Gewürzmischung Vadouvan auf Grapefruit-Karotten-Sorbet und geschmorten Möhren mit Blumenkohl-Couscous an. Neben dem ein oder anderen ausgefallen Gruß aus der Küche, wie beispielsweise der Kartoffelsuppe garniert mit Jerky aus Wildschweinherz und einer Dampfnudel in Miniatur-Form, überzeugt auch der Wild-Vorspeise der Traube mit der butterzarten gepressten Rehaxe in Kombination mit Holunderbeere und Topinambur-Püree. Die Empfehlung unseres Magazins zum Dessert: Der Erlanger Bierkäse mit Musik. Zum Essen reicht die Traube regionale Weine, zum Beispiel vom Weingut Hundemer aus Hainfeld.
Egal ob vegan, vegetarisch oder mit Fleisch und Fisch. Hake betont: Der Anspruch ist für alle Gerichte gleich hoch. Das Restaurant in Rohrbach lebt außerdem vom Networking, denn nicht nur die Jäger kennt Hake persönlich, Gemüse plant die Traube in Zukunft von einem alten Schulfreund Hakes, einem Landwirt im Neuenheimer Feld, zu beziehen. Dieser soll dann gezielt für das Restaurant anbauen und die Produkte sollen so noch regionaler und saisonaler werden. Sobald etwas geerntet werden kann, werden die Gerichte dementsprechend ausgerichtet und auf den saisonalen Materialien basierend entwickelt.
Hake betont in diesem Zusammenhang wiederholt den Stellenwert seines Teams:
„Das ist keine One-Man-Show.“
Neben Hake arbeiten in der Traube noch acht weitere Personen in der Küche – Aushilfen, Lehrlinge und Patissiers eingeschlossen. Jeder würde Ideen für neue Gerichte miteinbringen und zur Entstehung der Menüs beitragen. Durch das innovative Konzept des Restaurants hat die Traube auch hochqualifiziertes Personal gefunden. Ein Glücksgriff in Zeiten des Fachkräftemangels, über den sich Hake sehr freut. Der Küchenchef, der selbst seine Ausbildung in der renommierten Traube Tonbach machte, schöpft noch heute aus dem, was er dort gelernt hat:
„Das spiegelt sich in der Art wie wir kochen wider – nach französischem Kochmodell. Da geht es um eine sehr ehrliche Küche und das hab‘ ich mir immer beibehalten.“
Wer eine ehrliche Küche sucht, ist in der Traube in Rohrbach tatsächlich richtig. Hake hatte auf jede Frage zu Gericht und Zutaten eine Antwort und gibt diesen Anspruch auch an seine Mitarbeitenden weiter. Der Blick in die Küche und der kurze Wortwechsel mit dem Team hat gezeigt: Hinter diesem Konzept steckt Überzeugung und eine gute Portion Ehrlichkeit.
AUTORIN: JULIA FAULHABER